Forschungsergebnisse und Studien der letzten 20 Jahre haben eindeutig bewiesen, dass es sich auf dem Gebiet der Ess-Störungen um ein sehr komplexes Gebiet handelt. Die herkömmliche Unterscheidung in lediglich Anorexie und Bulimie zu vereinfachen und für die zumeist weibliche Patientin ist nicht hilfreich.
Die strategische Psychotherapie unterscheidet demgegenüber mindestens 7 verschiedene Arten von Ess-Störungen und diversen Mischformen, die alle unterschiedlich behandelt werden müssen, damit die gewünschten Ergebnisse erzielt werden können.
1. Anorexie klassischer Typ
Die Hungersymptomatik der Patientin wird als Loyalitätsopfer im gestörten Familiensystem verstanden. 15% der Anorexie-Patienten sterben, während 75% innerhalb von 3-5 Jahren ein Ess-Brechsymptom entwickeln.
2. Anorexie moderner Typ
Die Patientin zeigt Abstinenzsymptome, die sich nicht nur auf das Essen beziehen, sondern eine Abschottung gegen alle Gefühle, Empfindungen und Erlebnisse umfassen kann. Es entwickelt sich ein (Über-)Leben in einem inneren Gefängnis, das gegen die Außenwelt schützt.
3. Bulimie Botero-Typ
Der nach dem südamerikanischen Maler benannte Typus beschreibt Menschen mit extremem Übergewicht, die damit glücklich und zufrieden sind. Für sie ist übermäßiges Essen ein großes Vergnügen und sie begeben sich erst bei schweren gesundheitlichen Problemen in Therapie.
4. Bulimie Yo-Yo-Typ
Der nach dem bekannten chinesischen Kinderspielzeug benannte Typ beschreibt Frauen, die ihr Essverhalten durch Diätgestaltung zu kontrollieren versuchen. Dieser Lösungsversuch funktioniert in der Regel nur für eine gewisse Zeit, so dass sie sich ständig in einem Teufelskreis aus Ab- und Zunehmen befinden.
5. Bulimie Artischocken-Typ
Der nach der kräftigen Kulturpflanze benannte Typus beschreibt Frauen, die ihr sensibles oder gebrochenes Herz durch den Aufbau von Körperfett gegen die Außenwelt schützen, um sich unattraktiv zu machen. Diese Frauen sind oft Opfer von Missbrauch geworden und entwickeln Schuldgefühle bei intimen Beziehungen.
6. Ess-Brech-Symptom
Das Ess-Brech-Symptom wird inzwischen als eigenständiges Muster verstanden, das sich gegenüber der Bulimie besonders in der Funktion des Erbrechens als versuchte Lösung darstellt, das Körpergewicht trotz großer Nahrungsaufnahme kontrollieren zu können.
Viele Frauen empfinden freudvolle Gefühle und Genuss in ihrer Ess-Brech-Dynamik und erleben Essen und Erbrechen als ihre „heimlichen Liebhaber“. Deshalb kann dieses Muster auch als eine Zwangsstörung verstanden und behandelt werden. Das Ess-Brech-Symptom ist mit 60% die am häufigsten auftretende Ess-Störung.
7. Fress-Attacken
Fressattacken entstehen aus dem Versuch, die Nahrungsaufnahme zu kontrollieren und diese Kontrolle schließlich zu verlieren. Die Patienten essen dann oft gewaltige Mengen, bevor sie erneut versuchen, ihr Essen zu kontrollieren. Diese Form der Ess-Störung zeigt durch ihren Kontrollcharakter Parallelen zu Zwangsstörungen. Sie betrifft besonders oft engagierte Frauen und Männer wie Manager, Leistungssportler und Schauspieler. Wenn Fressattacken verhindert werden sollen, muss zuvor die Kontrolle über die Nahrungsaufnahme beendet werden.
